Sherlock Holmes - The Sign of Four (1983)
Cover

6.12.2009 #475

von Guido Bibra

Titel The Sign of Four
Studio Mapleton Films / Lorindy Productions (1983)
Hersteller ILC Media / ZIA Films (2000) EAN 5-031932-106091
DVD-Typ 5 (3,63 GB) Bitrate ø 5,32 max. 7,0
Laufzeit 92:45 Minuten Kapitel 12
Regionalcode 0 (England) Case Amaray-Klon
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.33:1 16:9 nein
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 192 kbit/s Englisch
Untertitel Keine
Freigabe BBFC PG
Extras • Keine

Der Film

Sherlock Holmes (Ian Richardson) wird von Mary Morstan (Cheri Lunghi) engagiert, die nach dem Verschwinden ihres Vaters von einem Unbekannten wertvolle Geschenke in Form von Edelsteinen bekommt und eine mysteriöse Einladung erhalten hat. Holmes und Dr. Watson (David Healy) begleiten sie und treffen auf Thaddeus Sholto, dem Sohn eines Offiziers, der zusammen mit Miss Morstans Vater in Indien gedient hatte. Sholto beichtet ihr den Tod von Colonel Morstan und erzählt von einem sagenhaften Schatz, den sein Vater vor seinem eigenen Tod ihm und seinem Bruder anvertraut hat...

 


  Im Jahr 1982 hatten sich der amerikanische Produzent Sy Weintraub und der Engländer Otto Plaschkes zusammengetan, um eine Reihe von Sherlock-Holmes-Fernsehfilmen zu drehen, die sowohl in den USA als auch in Europa vermarktet werden sollten. Gleichzeitig hatte aber auch der englische Privatsender ITV die Produktionsfirma Granada mit der entwicklung einer Sherlock-Holmes-Serie beauftragt, wodurch ein Rechtsstreit um die Copyrights der Geschichten von Arthur Conan Doyle begann, von denen einige in England, aber noch nicht in den USA abgelaufen waren. Während dieser Klage ging die Produktion von Sy Weintraubs und Otto Plaschkes' Filmen weiter, von denen aber letztendlich nur zwei statt wie ursprünglich dreizehn gedreht wurden, nachdem man sich außergerichtlich geeinigt hatte und Granada die eigene Serie produzieren durfte.

Der erste der beiden Filme war The Sign of Four nach Arthur Conan Doyles Roman, an dem sich auch zuvor schon viele Filmemacher versucht hatten und der einige Jahre später auch von Granada verfilmt wurde. Das Buch bot sich wegen seiner Länge für eine anderthalbstündige Adaption besonders gut an und hatte alles, was eine klassischen Holmes-Geschichte ausmachte. Adaptiert wurde die Vorlage von dem amerikanischen Autor Charles Edward Pogue, der mit The Sign of Four sein erstes Drehbuch schrieb, während die Inszenierung dem britischen Regisseur Desmond Davis anvertraut wurde, der seine Karriere als Kameramann begonnen hatte und sowohl mit kleinen Fernsehproduktionen als auch mit großen Kinofilmen vertraut war.

  Für Sherlock Holmes hatten die Produzenten eine überraschend gelungene Wahl getroffen und den schottischen Schauspieler Ian Richardson engagiert, der als leidenschaftlicher Bühnenschauspieler seine Karriere bestritt, aber sich auch einen Namen als hervorragender Charakterdarsteller in vielen britischen Fernsehserien und auch einigen Kinofilmen gemacht hatte. Sein Sherlock Holmes ist eine freundlichere und wärmere Version der Figur, die mehr auf die humorvollen Seiten des Meisterdetektivs setzt und sich deutlich von der viel düsteren und zynischeren Variante unterscheidet, die später von Jeremy Brett auf brilliante Weise umgesetzt wurde. Ian Richardson spielt Sherlock Holmes auf seine eigene Weise und bringt mehr Menschlichkeit in die Figur, die er mit einem hintergründigen, verschmitzten Humor spielt.

Bei Doctor Watson stellt sich bei jeder Verfilmung die Frage, ob die Figur wie von Conan Doyle ursprünglich gedacht als kompetenter, intelligenter Arzt im besten mittleren Alter oder wie besonders von den Rathbone-Bruce-Verfilmungen als tolpatschiger, dümmlicher älterer Mann dargestellt wird. Bei dieser Verfilmung scheint es so, als ob sich die Produzenten nicht ganz entscheiden konnten, denn David Healys Watson hat etwas von beiden Varianten - er spielt seine Rolle relativ geradlinig, hat aber das Aussehen und manchmal auch die Aussprache, die mehr an Nigel Bruce als an David Burke oder Edward Hardwicke erinnern, den sehr originalgetreuen späteren Darstellern der Granada-Serie.

  Die Besetzung der Nebenrollen ist durchaus gut gelungen, aber nicht immer wirklich inspiriert. Die englische Schauspielerin Cheri Lunghi hätte eine bezaubernde Mary Morstan sein können, wenn ihr das Drehbuch nur bessere Dialoge gegeben hätte und sie nicht in so ein lächerliches Kostüm hineingezwängt worden wäre, in dem sie sich sichtlich unwohl fühlt. Joe Melia spielt Jonathan Small als abgrundtiefen Unsympathen, der er eigentlich in der Vorlage gar nicht ist - allerdings erfährt man in dieser Version der Geschichte auch kaum etwas über seinen Charakter. Die Sholto-Gebrüder wurden hier nicht mit einer Doppelrolle besetzt, sondern von Clive Merrison und Richard Heffer gespielt, zwei nicht besonders bekannten britischen Schauspielern, die keinen großen Eindruck hinterlassen.

Charles Edward Pogues Drehbuch nimmt sich eine ganze Menge Freiheiten heraus, um die Geschichte auch für das amerikanische Publikum tauglich zu machen. Die Vorgeschichte wurde stark zusammengestrichen und vereinfacht, was angesichts der relativ komplexen Vorlage aber verständlich ist. Weniger verzeihlich sind einige hinzugedichtete Elemente, die hauptsächlich der Sensationsgier dienen - aus Jonathan Smalls mysteriösem Begleiter, der in der Romanvorlage eigentlich nur ein Fischer ist, wurde eine kannibalische Bestie gemacht, die von seinem Besitzer auf einem Jahrmarkt zur Schau gestellt wird. Dort darf sich Sherlock Holmes mit einem ganzen Kuriositätenkabinett herumschlagen und ähnlich wie in The Speckled Band seine Stärke demonstrieren, was zwar eine gelungene Szene für Ian Richardson ist, aber mit Sherlock Holmes nur noch wenig zu tun hat.

  Andere Teile der Geschichte wurden dagegen recht stiefmütterlich behandelt und auch einige Charaktere ganz anders als in der Vorlage dargestellt: so sind die Sholo-Brüder keine exzentrischen Sonderlinge, sondern elegante, aber recht farblose junge Männer, für die sich das Drehbuch nicht wirklich interessiert und sich lieber Jonathan Small und seiner Bestie widmet. Auch Mary Morstan und der ermittelnde Inspektor bleiben nur blasse Randfiguren, damit sie Sherlock Holmes nicht überschatten - im Gegensatz zu den Granada-Verfilmungen steht hier der Meisterdetektiv immer im Vordergrund. Völlig eingespart wurde die von Arthur Conan Doyle so ausführlich beschriebene Rückblende, die in einigen Dialogen zum Ende des Films schnell durchexerziert wird. Am enttäuschensten ist jedoch das Hollywood-Happy-End, bei dem Dr. Watson zwar nicht mit Miss Morstan zusammenkommt, aber der Schatz durch ein völlig Doyle-untypisches Klischee doch noch auftaucht.

Die Kulissen machen einen sehr detailreichen Eindruck, sind aber besonders im Fall vom Anwesen der Sholtos nicht wirklich originell gestaltet worden - dafür sieht die Baker Street 221b von innen sehr gelungen, wenn auch etwas zu gemütlich und aufgeräumt aus. Der Höhepunkt der Geschichte wurde mit einem erstaunlichen Aufwand an Originalschauplätzen in Szene gesetzt, wobei sogar eine Unterquerung der Tower Bridge gedreht wurde. Bei einigen weiteren Außenaufnahmen kaschiert der praktisch eingesetzte Nebel die moderneren Gebäude der Stadt, so daß die Illusion eines viktorianischen London sehr gut gelungen ist. Enttäuschend ist lediglich, daß zu Beginn des Films für die Baker Street zwei Einstellungen aus Billy Wilders The Private Life of Sherlock Holmes ausgeliehen wurden und man von Sherlock Holmes' Residenz von Außen nur den Eingangsbereich zu sehen bekommt.

  Desmond Davis hat das Drehbuch sehr schwunghaft umgesetzt und die Handlung straff und dramaturgisch perfekt durchchoreographiert. Unterstützt wird dies noch durch die verspielte Musik von Harry Rabinowitz, die den Film stellenweise geradezu fröhlich erscheinen läßt, obwohl es sich eigentlich mehr um ein Drama handeln müßte. Eine Komödie ist The Sign of Four deswegen zwar noch nicht, aber es ist deutlich bemerkbar, daß viele Konzessionen für die Mainstream-Tauglichkeit der Handlung gemacht wurden, da der Film nicht nur nach England, sondern auch in die USA verkauft werden sollte.

Trotz der Schwächen im Drehbuch und der Besetzung der Nebenrollen gehört diese Version von The Sign of Four zu den besten Verfilmungen des Stoffs und ist gerade wegen Ian Richardsons gelungener Interpretation des Meisterdetektivs und der soliden Inszenierung ein sehr unterhaltsamer Film, der sich nicht von den anderen Versionen der Geschichte verstecken braucht. The Sign of Four wurde zusammen mit seinem Nachfolger The Hound of the Baskervilles zuerst in den USA beim Bezahlsender HBO gesendet und später beim britischen Privatsender Channel 4. Auch bis nach Deutschland hatten es die Filme geschafft, die Ende der achtziger Jahre vom ZDF eingekauft und synchronisiert wurden, aber bei den ersten Ausstrahlungen auch im Zweikanalton-Verfahren gleichzeitig mit der Originalfassung liefen.

Die DVD

The Sign of Four ist bereits seit 2000 in den USA und in England als DVD erhältlich, wobei die hier rezensierte britische Veröffentlichung vor einigen Jahren für knapp fünf Pfund bei einigen Online-Händlern erhältlich war, aber derzeit leider nur noch gebraucht zu bekommen ist. Trotz des niedrigen Preises hat die DVD eine akzeptable Bild- und Tonqualität und ist sicher auch nicht schlechter als die amerikanische Ausgabe, die nur zu stark überteuerten Preisen verkauft wird. In Deutschland ist The Sign of Four unter dem Titel Das Zeichen der Vier erst im Herbst 2009 als DVD erschienen, die aber keinen Originalton besitzt - und das, obwohl der Film früher im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch mit englischem Ton gesendet wurde.

Cover

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Bild

Obwohl es sich um dieser DVD fast schon um ein Billigprodukt handelt, ist die Bildqualität nicht so schlecht, wie man eigentlich befürchten könnte. Laut dem Lizenzgeber Zia Films wurde der Film 1999 remastered, so daß für diese DVD kein altes Videomaster aus den achtziger Jahren, sondern zumindest ein halbwegs neuer Transfer des auf 35mm-Material gedrehten Films zur Verfügung stand.

Die Filmvorlage ist nicht ganz sauber und weist gelegentlich ein paar größere Dropouts in Form von weißen und schwarzen Fusseln auf, hat aber sonst keine auffälligen Verschmutzungen oder Beschädigungen. Die Schärfe kann für eine 35mm-Produktion nicht wirklich überzeugen und ist weit von Kinofilm-Niveau entfernt, was aber hauptsächlich an der damaligen Transfertechnik zu liege scheint - den Umständen entsprechend ist die Detailtreue des Bildmaster aber durchaus akzeptabel. Filmkörnigkeit ist gelegentlich etwas sichtbar, wird aber meistens von der Unschärfe der Abtastung verschluckt.

Der Bildstand ist nicht immer ganz ruhig, bleibt aber die meiste Zeit unauffällig. Gut gelungen ist das Farbtiming, das sehr natürlich aussieht und zwar genauso wie bei den Granada-Filmen oft auf leichte Sepia-Töne setzt, aber gerade die Hautfarben besonders gut trifft. Die Kompression läßt sich nichts zuschulden kommen und hat bei einer durchschnittlichen Bitrate von 5.32 Mbit/s keine Probleme mit dem sowieso nicht allzu detailreichen Material.

Es ist sicher keine bemerkenswerte DVD, deren Bild bei größeren Diagonalen ziemlich enttäuschend sein dürfte - aber wenn man die Herkunft des Films bedenkt, kann man mit diesem Transfer doch ganz zufrieden sein.

Ton

Die britische DVD von The Sign of Four ist lediglich mit der englischen Originalfassung ausgestattet, die als solide, aber unspektakuläre Mono-Abmischung zu hören ist.

Qualitativ gibt es an der Tonspur wirklich nichts auszusetzen, denn obwohl der Klang nicht auf Kinofilm-Niveau ist, kann besonders die Musik mit ordentlichen Bässen und Höhen aufwarten und auch die Geräuschkulisse macht einen ordentlichen Eindruck. Die Stimmen sind zwar hervorragend verständlich, klingen aber sehr flach und gedrückt. Manchmal sind die Dialoge auch nicht ganz Lippensynchron, weil die Nachsynchronisation im Tonstudio stellenweise nicht ganz so gut gelungen ist - gelegentlich bekommt man den Eindruck, daß sich die Stimmen nicht so gut in die ansonsten gut gelungene Mono-Abmischung einfügen.

Untertitel gibt es bei so einer Low-Budget-DVD natürlich keine, aber angesichts der guten Dialogverständlichkeit sind diese auch nicht wirklich notwendig.

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