Oscars 2012 Nachlese
Es ist jedes Jahr das gleiche Dilemma – wie kann man über Filme schreiben, die man noch gar nicht gesehen hat? Letztes Jahr hatte ich mir aus Desinteresse an den Gastgebern die Oscar-Berichterstattung ganz sein gelassen, aber diesmal waren die 84. Oscar-Verleihungen im Gegensatz zum vorherigen überproduzierten Spektakel wieder richtig sehenswert. Billy Crystal, der nach einem kleinen Skandälchen um Produzent Brett Ratner vom ursprünglich geplanten Host Eddie Murphy übernommen hatte, war erstaunlich gut in Form und Brian Grazer hatte für eine solide und richtig klassische Inszenierung gesorgt. Ach ja, Preise wurden ja auch noch vergeben – ein schwarzweißer Stummfilm und ein buntes 3D-Abenteuer haben zusammen zehn Preise abgeräumt und während es keine wirklich großen Überraschungen gab, waren die Auszeichnungen ausnahmsweise einigermaßen fair verteilt.
Die Show war das, was man aus den guten, alten Tagen in den späten achtziger und den neunziger Jahren kennt – nur viel straffer und besser choreographiert. Gelungene Filmmontagen und eine atemberaubende Darbietung vom Cirque de Soleil haben eine recht nostalgische und fast wehmütige Stimmung erzeugt und das Erlebnis Kino stand ganz im Vordergrund. Billy Crystal konnte trotz einiger wirklich unberichtigter Kritik beweisen, daß er auch beim neunten Versuch immer noch witzig sein kann. Das Problem, wirklich frischen Humor zu liefern wurde auch in der bombastischen Eröffnungssequenz parodiert, aber tatsächlich haben die meisten Gags noch ganz gut gezündet. Skandale gabs diesmal auf der Bühne nicht, wenn man von Angelina Jolies Unterschenkel absieht – nur Sasha Baron Cohen hatte mit seinem Dictator Alter Ego auf dem roten Teppich Ryan Seacrest mit der “Asche” von Kim Jong Il bombardiert.
THE ARTIST – Film, Regie, Hauptdarsteller, Filmmusik, Kostüme
Die Medien haben so ziemlich alle Stummfilm- und Franzosen-Witze aufgebraucht, deshalb lasse ich es lieber gleich. Aber die Academy war wirklich mutig, ein schwarzweißes Stummfilm-Experiment in den “künstlerischen” Kategorien auszuzeichnen. Hat The Artist seine Oscars wirklich verdient und ist er ein richtig gelungener Film, oder nur ein seltsamer Hype ohne Bestand? Ich kann es einfach nicht einschätzen – die Filmausschnitte sahen alle ganz faszinierend aus, aber ob der gesamte Film den dort versprühten Charme wirklich durchhalten kann, bleibt die große Frage. Eine Chance hat The Artist aber auf jeden Fall verdient.
HUGO – Tonschnitt, Tonmischung, Art Direction, Cinematograpie, Effekte
Martin Scorsese ist DER TECHNIKER – sein opulentes 3D-Spektakel mag vielleicht gut aussehen, aber hier bin ich mir noch weniger sicher als bei The Artist. Die Optik kann noch so brilliant sein, aber da fürchte ich doch, daß der amerikanischen Kitsch zu sehr durchschlägt. Andererseits ist es Martin Scorsese und der Umstand, daß Hugo von den Kritikern hoch gelobt wurde, aber an den Kinokassen nicht sehr erfolgreich war, ist vielleicht ein Indikator für einen doch ganz gelungenen Film.
DIE SCHAUSPIELER wurden diesmal quer durch die Bank gelobt. Jean Dujardin hatte als bester Hauptdarsteller gewonnen, was mehr oder weniger vorhersagbar, aber nicht unbedingt gerecht war – was ist mit Gary Oldman oder George Clooney? Meryl Streep konnte sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen (vielleicht auch dank der Maskenbildner, die auch einen Oscar dafür bekamen), aber wer den britischen Drachen Maggie Thatcher so brilliant spielt, hat trotz der Kontroversen um The Iron Lady natürlich einen Oscar verdient. Octavia Spencer hat als Dienstmädchen in The Help Christopher Plummer bekam seine wohlverdiente Auszeichnung für seine Nebenrolle im Drama The Beginners – er wurde damit zum ältesten Oscar-Gewinner in der Geschichte der Academy.
WOODY ALLEN glänzte wie immer durch Abwesenheit, hat aber seinen vierten Oscar für das Drehbuch von Midnight in Paris bekommen. Egal wie seine neueren Filme sein mögen, einen Oscar hat Woody immer verdient, nicht zuletzt für sein unglaubliches Durchhaltevermögen, auch mit Mitte Siebzig immer noch einen Film pro Jahr zu drehen.
MUSIK konnte natürlich nur ein Film gewinnen, nämlich derjenige, der zu 100% daraus besteht: The Artist. Der französische Komponist Ludovic Bource konnte sich gegen John Williams im Doppelpack, Howard Shore und Alberto Iglesias durchsetzen. Songs waren nur zwei nominiert und überraschenderweise gewann die recht schnulzige Ballade Man or Muppet aus dem neuen Muppet-Film. Leider war dieses Mal wieder auf eine Live-Darbietung der Songs verzichtet worden.
ANIMATION war dieses Jahr alleine schon durch die Nominierungen interessant: Pixars Autounfall von Cars 2 war erst gar nicht unter den Finalisten, aber dafür gleich zweimal Dreamworks mit Puss in Boots und dem überraschend vermurksten Kung Fu Panda 2. Die Gegenbalance hielten mit A Cat in Paris und Chico and Rita zwei französische und spanische Filme… und Gore Verbinskis brilliante Western-Hommage Rango, die letztendlich dann auch verdientermaßen ausgezeichnet wurde.
DIE VERLIERER waren dieses Jahr vor allem der brilliante britische Spionagethriller Tinker, Tailor, Soldier, Spy, der vor kurzem wenigstens noch bei den BAFTAs gelobt wurde. Aber weder die Drehbuchadaption noch Gary Oldman als Hauptdarsteller wurden ausgezeichnet – wahrscheinlich war dieser Film wieder mal zu kompliziert für Hollywood, was auch eine Auszeichnung für sich ist. Außerdem auf der Verliererbank: Steven Spielberg mit seinem War Horse und Spektakel wie Harry Potter, Transformers 2 und Rise of the Planet of the Apes wurden noch nicht mal in den Nebenkategorien beachtet – gut so!
VERGESSEN hatte die Academy 2012 einen ganz wichtigen Termin: 50 Jahre James Bond! Natürlich sind die Abenteuer vom Geheimagenten ihrer Majestät eine britische Produktion, aber 007 ist auch untrennbar mit Hollywood verbunden und von den amerikanischen Kinoleinwänden nicht mehr wegzudenken. Das war wirklich schade, eine kleine Montage hätte es mindestens sein müssen.
Die 84. Academy Awards waren trotz des kurzfristigen Host- und Produzentenwechsels nicht die von allen erwartete Enttäuschung geworden. Stattdessen hatten sich Brian Grazer und Billy Crystal auf das Wesentliche konzentriert und das geliefert, was man nur eine Good Old Show nennen kann. Auch die Einschaltquoten waren ordentlich und konnten mit 39.3 Millionen Zuschauern zwar nicht ganz das Hoch von 2010 erreichen, aber sich doch ganz gut schlagen – auch wenn manche Kritiker ein “Retro-Disaster” oder ein “cruise ship dinner for the over 50 travel club” sahen.
Wie eine Preisverleihung im kleinen Stil funktioniert, hatten dieses Jahr aber die British Academy Film Awards, die BAFTAs vorgemacht, die am 12. Februar stattfanden. Frecher, lockerer, intelligenter und mit Stephen Fry als Host waren die BAFTAs 2012 eigentlich die besseren Oscars, obwohl die beinahe traditionelle Art der Amerikaner diesmal mehr an die Briten herangrereicht hatte als in den vorherigen Jahren. Vielleicht sollten Stephen Fry und Hugh Laurie nächstes Jahr gemeinsam die Oscars moderieren!
Leider ist bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen, die Academy Awards als DVDs zu vermarkten – als Dokument für die Nachwelt bleibt also nur die Presse-Berichterstattung übrig, wie zum Beispiel der Live-Blog der Washington Post oder vom Guardian. Schade eigentlich, denn gerade DVDs von lange vergangenen Oscar-Verleihungen würden bestimmt ein Verkaufsschlager werden – aber das wird wahrscheinlich wegen rechtlichen Problemen nie passieren.
Genau wie letztes Jahr hat mal wieder cineastischer Sondermüll den Preis für den besten Film bekommen, mehr ist “The Artits” nämlich IMHO nicht!
Billy Crystal war alt und langweilig. Seine Jokes waren ganz okay. Sogar so das Harald Schmitt (SP?) sie in seiner Late-Night-Show nochmal für die Deppen verwurstet hat die die AAs nicht gesehen bzw. verstanden haben.
Der Cirque de Solei Kram ist genau wie “2001” nur stoned erträglich.
Besonders bei den Schauspielerinen hat man Emma Stone und das Mädel das George Cloneys Tochter in “Desendants” gespielt hat zwecks PC-Heit gegenüber der “afroamarikanischen Minderheit” glatt übergangen. Obwohl beide die AAs weit mehr verdient hatten als die Gewinner. Besonders das Octavia Spencer so einen Heckmeck gemacht hat ging mir auf den Kecks, wußte sie doch von vornherrein das niemand außer ihr oder ihrer ebenfalls schwarzen Filmpartnerin eine Siegchance hatte.
Plummer bekam den Oscar nur weil 1. eh bald abkratzen wird und 2. weil er einen AIDS-kranken Schwulen spielte. Ansonsten wäre es Max von Sydow gewesen, aber halt nur wegen 1.
“War Horse” hätte den AA genauso wenig verdient wie der spätere Sieger: “Mein Freund Yellar” mit einem Pferd – wie doof sind die Leute eigentlich? Aber das braucht man eigentlich zumindest in D-Land nicht mehr zu fragen wen Schrott wie “Rubbel die Katz” (bescheuertes deutshes Remake von “Tootsie” – aber keiner hats gerafft) oder “What a Man” (Remake von “School of Scoundrels”) solche Zuschauerzahlen haben.
“Hugo” ist auch so ein Mist! Man will Scorsee am liebsten ins Gesicht prügeln und sagen ‘Schuster bleib bei deinen Leisten`!” BC hat das in seinem Gesangsmonolg schön ausgedrückt!
“Rango” habe ich mir auf Grund des AA-Gewins als BR geholt (war beim MM diese Woche auf dem Ramschtisch). Meine Meinung hat sich von damals nicht geändert. Mir gefällt der Film immer noch nicht so richtig. Vielleicht weil er soviele Leone/Eastwood-Klassiker und auch noch “Star Wars” gnadenlos durch den Kakau (SP?) zieht oder vielleicht wegen was anderem. Ich kann den Finger nicht drauf legen.
Was mich sehr gewunder hat war das dieses Jahr nur zwei Songs nominiert waren! Normalerweise sind es doch 5. Merkwürdig. Dabei gabs genug gute Musik in Filmen dieses Jahr. Okay, viel war Remakes von ’80iger Hits neu eingesunden. Trotzdem. Da waren einige Sachen die man zumindest hätte nomiert werden können.
Und was bitte sollte die Scheiße mit Angelina Jolies Bein? Wem wollte sie mit der Poserrei was sagen?
Verwundert hat mich auch das man Woody Allen nicht gleich zweimal ausgezeichnet hat. Das wäre ein Ding gewesen. Okay, der Film war Schrott, aber es wäre ein Zeichen für die Outsider von Hollywood gewesen.
Was auch auffiel war das man bei den Dokumentarfilmen auf uramerikanische Werte setzte und die beiden Afghanistandokus einfach ausmanövriert wurden. Afgahnistan ist beinahe schon für die Amis ihr neues Vietnam: Sie wollen es einfach vergessen!
Was bleibt? Genau wie letztes Jahr haben wieder die alten Opas und Omas in der Acadamy die schon seit Jahren keinen Film mehr gedreht haben über Sachen entschieden von denen sie schon seit Jahren keinen Plan mehr haben.
So… genug gekotzt! ;->
Meine Güte, hast du eine Wut auf die Academy :-). War doch gar nicht so schlimm dieses Jahr, hat es überhaupt schonmal eine Oscar-Verleihung gegeben, die dir gefallen hat?
Sicher. Es gab einige – wen die RICHTIGEN FIlme gewonnen haben (zB. “Platoon” oder “Hurt Locker”) aber meistens sind es alte Filme von alten Leuten für alte Leute!
Du mußt bedenken: Die Acadamy hat so ca. 4000 Mitglieder. Davon sind ca. 200 wirklich aktiv; d.h. sie machen noch Filme. Der Rest sind einfach nur Hasschrauchende Kaffeehauspoeten.
Die Mehrzahl der Kinogänger ist unter 30 (ca. 70%). Die Mehrheit der inaktiven, aber stimmberechtigen AMs ist aber über 65 (ca. 44%). Von diesen haben in den letzten 10 Jahren nur 5%; in den letzten 20 Jahren nur 2% einen Film gemacht. Da von “aktiv” zu reden u/o das die AHNNUNG von MODERENEN Filmen haben ist eine einzige Farce!
Ich könnte jetzt im Gegenzug das Durchschnittliche Alter der Filmemacher und Schauspieler der Oscar-Gewinner von den letzten Jahren berechnen, aber “von alten Leuten” wage ich jetzt einfach mal so zu bezweifeln. Gerade die Filmemacher von “The Artist”, auch wenn es ein altmodischer Film ist, sind eigentlich relativ jung. Und das Alter der Academy-Mitglieder muß nicht unbedingt über ihr Abstimmungsverhalten bestimmen… die ganze Theorie hört sich an, als ob sie von SEHR konservativen US-Medien stammen würde.
Also, was dagegen tun? Selbst Filme machen und Academy-Mitglied werden. Aber ich glaube, das geht nur, wenn man Amerikaner ist, oder? :-)
Alle AM sind generell im älteren Alter, da man nur AM werden kann wen man 1. von der Acadamy dazu ‘erwählt’ wird was 2. bereits besondere Leistungen der betreffenden Person im Filmschaffen vorasusetz. Was oder wie das gewertet wird ist ein Geheimnis der Acadamy.
Und nein, man muß nicht Ami sein. Jürgen Prochnow, Roland Emerich und Wolfgang Petersen sind zB. auch Mitglieder der Acadamy. So auch Rutger Hauer oder Paul Verhoeven.
Außerdem geht es nicht um die Gewinner, sondern um die Abstimmenden.
Das Problem ist das zwar Kameraleute, Maskenbilder ect. in ihren Kategoriern nominerien und auch über diese votieren, (was bis Anfang der ’90iger noch anders war und erst dann geändert wurde) aber für den besten Film ALLE AMs abstimmen. Bei diesen sind aber die Schauspieler (ca. 1600) und Regiseure (ca. 300) überproptional vertretten. Von diesen ca. 1900 Leuten haben aber IM LETZEN JAHR nur 30 (!) aktiv gearbeitet.
Die anderen?
Die haben wahrscheinlich alles gemacht angefangen von “Death of a Salsemen” im lokalen YMCA, über Golf in Marbella zu spielen bis zu üblene Gerüchten über Lindsay Lohan verbeiten, aber keinen Film.
Und DAS ist der Kasusknacksus.