Oscar-Nachlese 2007
In den letzten Jahren hatte ich meine Oscar-Artikel immer drüben auf der Hauptseite von Bibra-Online gepostet, aber im Zeichen der allgemeinen Migration von allen filmverwandten Themen ins DVDLog ist mein diesjähriges Oscar-Geschwätz nun hier zu lesen. Es ist das erste Mal seit Jahren quasi ein Blindflug, da ich die Show noch gar nicht gesehen habe und nur einige Berichte gelesen hatte…
Vor der Show…
Auf einen großen Oscar-Artikel werde ich dieses Jahr verzichten, da ich irgendwie gar keine große Lust habe mir das Spektakel anzuschauen. Letztes Jahr wars mit Jon Stewart als Host ja noch ganz frech und lustig, aber Ellen DeGeneres geht mir einfach zu sehr auf den Nerv. Außerdem kenne ich mal wieder kaum einen der nominierten Filme und den größten Teil finde ich sogar äußerst uninteressant – drei Gewinner wünsche ich mir aber trotzdem: Martin Scorsese als bester Regisseur, Al Gores Klimaschutz-Dokumentation An Inconvenient Truth, und den Ice Age-Spinoff No Time for Nuts als bester animierter Kurzfilm.
Nach der Show
Tja, was soll ich groß schreiben – ich habe hier zwar eine Band mit der Aufzeichnung der Oscars liegen, aber ob ich mir die wirklich komplett anschauen werde, bezweifele ich immer mehr nachdem ich mich durch einige Artikel der Onlinemedien durchgekämpft habe – wie schon oft ist die Berichterstattung der Washington Post am interessantesten. Das Transcript vom Chat mit Movie Editor Jen Chaney läßt allerdings schlimmes befürchten, denn offenbar hat da mehr Langeweile als in den Vorjahren geherrscht und die Länge von fast vier Stunden ist auch nicht sehr vielversprechend. Tom Shales beginnt seinen Artikel, betitelt mit The Broadcast: Longer and Longer dann auch gleich mit “Alternately (and sometimes simultaneously) a bore and a horror,…” und schreibt dann später “Virtually everything about the Oscarcast, except for a few mercifully brief features, was entirely, punishingly too long.”. Oh je. Die allgemeine Zusammenfassung von William Booth und Hank Stuever bestätigt es dann auch am Schluß: 3 Stunden und 47 Minuten. Da hat meine Aufzeichnung ja wohl noch gerade auf die Kassette gepaßt.
Wenigstens noch ein paar Kommentare zu den Gewinnern – meine Wünsche sind sogar zu zwei Dritteln in Erfüllung gegangen. No Time for Nuts hat leider den Oscar für den besten animierten Kurzfilm an einen norwegischen Film namens The Danish Poet verloren, aber immerhin hatte es für den Ice Age-Spinoff zu einer Nominierung gereicht! Ice Age 2 selbst war gar nicht nominiert, und auch Dreamworks hatte keinen Trickfilm im Rennen, obwohl Over the Hedge zumindest eine Nominierung verdient hätte. Dafür hat aber auch Disneys Brumm-Brumm-Spektakel Cars überraschenderweise gegen die tanzenden Pinguine in Happy Feet verloren.
Die deutsche Filmbranche wird jetzt völlig überschnappen, nachdem das Stasi-Drama Das Leben der Anderen gewonnen hat – aber warum müssen bloß alle Filme, die aus Deutschland kommen und im Ausland beachtet werden immer mit der ach-so-schuldbelasteten Vergangenheit zu tun haben? Wahrscheinlich waren die Academy-Mitglieder diesmal von Das Leben der Anderen angelockt worden, weil es sich ausnahmsweise mal nicht um den Holocaust, sondern um die ehemalige DDR dreht. Ich möchte nur einmal einen ganz normalen Film aus Deutschland einen Oscar gewinnen sehen – der letzte dürfte wohl Volker Schlöndorffs Die Blechtrommel gewesen sein, und das ist auch schon über zwanzig Jahre her.
Als beste Dokumentation hat Al Gores An Inconvenient Truth gewonnen, etwas anderes wäre dann auch ein mittelgroßer Skandal gewesen. Natürlich hat der ehemalige Präsidentschaftskandidat eine erneute Kandidatur nicht in der Show bekannt gegeben und hat sogar einen kleinen Gag daraus gemacht – soviel Humor möchte ich mal bei gewissen anderen amerikanischen Politikern sehen. Clint Eastwoods Antikriegsfilm-Duett Flags of our Fathers und Letters from Iwo Jima wurde bis auf einen Sound-Editing-Oscar für letzteren völlig übergangen – offenbar hat sich einfach niemand getraut, für die beiden Filme zu stimmen.
Pirates of the Caribbean 2 gewann verdientermaßen den Oscar für die besten visuellen Effekte und konnte dabei Poseidon und Superman Returns ausstechen – auch die anderen technischen Kategorien waren ohne große Überraschungen. American Idol-Gewinnerin Jennifer Hudson konnte überraschenderweise eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin in der Motown-Musikhistorie Dreamgirls einstreichen, während Alan Arkin für Little Miss Sunshine gewann.
Peter O’Toole, der 2003 einen Oscar für sein Lebenswerk bekam und als bester Hauptdarsteller für Venus nominiert war, wurde zum achten Mal übergangen – gewonnen hatte diesmal durchaus verdientermaßen Forest Whitaker, der Idi Amin in The Last King of Scotland gespielt hatte. Als beste Hauptdarstellerin konnte natürlich nur Helen Mirren als Queen Elizabeth II in The Queen gewinnen – ebenfalls wirklich verdient.
Und zum Schluß gewann dann doch noch der richtige… Martin Scorsese hatte es mit The Departed endlich geschafft. Er gewann nicht nur den Regie-Oscar, sondern sein Film wurde auch als der beste des Jahres ausgezeichnet und hatte zuvor schon zwei andere Oscars für das Drehbuch und den Schnitt bekommen. Damit ging Martin Scorsese als der größte Gewinner des Abends von der Bühne – das hatte er auch schon seit langem verdient.
Letztendlich hat die eigentlich sehr gerechte Verteilung der Auszeichnungen dieses Jahr aber wohl nichts an der allgemeinen Langweiligkeit der Show geändert – insbesondere Ellen DeGeneres als Gastgeberin hat deutlich weniger Eindruck als ihr Vorgänger Jon Stewart im letzten Jahr hinterlassen. Es war wohl eine schwache Darbietung, die den Einschaltquoten sicher nicht besonders gut getan hat – nächstes Jahr droht der 80. Geburtstag der Oscars, und man kann nur hoffen daß es nicht “same procedure as last year” sein wird.